Fernbeziehung

Fernbeziehung und Wochenendbeziehung als Chance:
Bewältigungsstrategien für die gelingende Partnerschaft auf Distanz.

Eine Beziehung auf Distanz wirft viele Fragen auf: "Können wir uns treu sein?" "Werden wir uns auseinanderleben?" "Reicht die gemeinsame Zeit, um als Paar immer wieder neu zusammenwachsen?" "Wie können wir sowohl die gemeinsame als auch die getrennte Zeit gestalten, damit unsere Partnerschaft hält?" und "Halten wir diese Fern- bzw. Wochenendbeziehung durch; mit allem was dazugehört und auf uns zukommen wird?"
Wer eine Beziehung auf Distanz führt, kennt die Beklemmung vor der Abreise. Viele Gedanken und Gefühle kreisen bereits um das erneute Getrenntsein, ungeachtet der Stunden, die das Paar noch entspannt miteinander verbringen könnte. Und alles ist überlagert von der typischen Abschieds-Traurigkeit des Abreisetages, obwohl beide Partner die verbleibende gemeinsame Zeit harmonisch genießen wollen.


 




 

Ausführliche Informationen:

Fernbeziehung und Wochenendbeziehung -
Chancen und Herausforderungen

Dr. Peter Wendl


Fernbeziehung: Partnerschaft auf Distanz

Im Zeitalter der Mobilität ist eine Beziehungsform keine Seltenheit, bei der die Partner bzw. Familie räumlich voneinander getrennt leben − oft viele Auto-, Zug- oder Flugstunden entfernt. Es entstehen so für Partnerschaft und Familie ganz eigene Lebensbedingungen. Davon betroffen sind nicht nur Piloten und Flugbegleitpersonal, Fernfahrer, Seefahrer und ihre Angehörigen bzw. Partnerinnen und Partner. Sondern auch Manager, Politiker, Journalisten, Studierende beispielsweise erleben häufig vom Partner räumlich getrennte Zeiten. Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens jede achte Partnerschaft "auf Distanz" gelebt wird. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung spricht von 13,4 Prozent der Paare, die "entfernt zusammen leben".
Die tatsächliche Zahl dürfte sogar um ein Vielfaches höher liegen, wenn zwei weitere Gruppen zusätzlich berücksichtigt werden. Zum einen Angehörige jener Berufe, bei denen das Paar zwar nicht in zwei getrennten Haushalten lebt. Aber einer der Partner während der entfernten Zeiten in einer Gemeinschaftsunterkunft oder einem Hotel wohnt. Und zum anderen Personen, die nur ab und an − dann aber für Wochen oder gar Monate − entfernt oder sogar im Ausland leben. So geht man im Schnitt davon aus, dass bei Akademikern bis zu 25 Prozent im Laufe ihres Berufslebens "mindestens über Jahre hinweg" in einer Fern- bzw. Wochenendbeziehung leben. Dabei stellen sich den Paaren verschiedene Fragen immer wieder neu:
"Können wir uns treu sein?" "Verändern wir uns und leben uns auseinander?" "Wie gestalten wir unsere unterschiedlichen „Alltage“, so dass der Partner/die Partnerin auch daran teilhaben kann?" "Und wie leben wir− stets aufs Neue − unser Wiedersehen so, dass die oft knapp bemessene gemeinsame Zeit für die Partnerschaft für uns erfüllend ist und bleibt?" Diese Fragestellungen besitzen gleichermaßen ständige Aktualität, sowohl bei Trennungen über Wochen und Monate als auch für Wochenendbeziehungen.

Die Kernprobleme der Fernbeziehung: verschiedene Alltags- und Lebenswelten


Ein Kernproblem der räumlich getrennten Beziehung ist die Tatsache, dass die beiden Partner bei jedem Wiedersehen aus meist gänzlich verschiedenen Alltagen kommen - und so bei der Rückkehr zwei verschiedene Lebens-Welten aufeinanderprallen. Die zentralste aller Herausforderungen ist es daher, eine eigene Art und Weise in der Kommunikation - und zwar sowohl für die Ferne als auch für die Nähe - zu entwickeln. Das Paar muss versuchen, sowohl die je unterschiedlichen positiven und negativen Erlebnisse im Alltag, Befindlichkeiten, Erwartungen bzw. Hoffnungen, Ängste sowie Befürchtungen "mit-zu-teilen", um an der Erlebnis- und der Gefühlswelt des anderen teilhaben zu können.
Auch wenn die Partner versuchen, den anderen nach besten Möglichkeiten am eigenen Alltag teilhaben zu lassen und den Alltag des anderen mitgeteilt zu bekommen, so bleibt doch das Kernproblem bestehen: Egal, ob nach einer Arbeitswoche oder nach Wochen und Monaten der Trennung, die beiden Persönlichkeiten müssen bei jedem Wiedersehen Erlebnisse, aber auch innere und äußerliche Veränderungen und Entwicklungen zusammenfügen zur gemeinsamen Erlebniswelt.

Zentrale Erfüllungs- und Belastungs-faktoren der Fernbeziehung

Zentrale Erfüllungs- und Belastungsfaktoren in einer Partnerschaft sind die folgenden wichtigen Aspekte („Säulen“), deren Qualität in der Partnerschaft darüber entscheiden, wie zufriedenstellend bzw. erfüllend oder eben entsprechend belastet die Beziehung empfunden wird:

  • Liebe (emotionale Verbundenheit)
  • Gelingende Kommunikation (verbal und nonverbal)
  • Geborgenheit (Intimität) und Vertrauen (körperliches Anlehnen, "Sich-fallenlassen-können")
  • erfüllende Sexualität
  • sowie die Kompetenz, zu lernen, gemeinsam Probleme zu lösen und die Bereitschaft sich immer wieder neu zu versöhnen

Werden nun eine oder mehrere dieser Säulen auf Dauer in der Partnerschaft als nicht zufriedenstellend erlebt, so ist die Partnerschaft entsprechend belastet. Hier zeigt sich, neben den unterschiedlichen Lebens-Welten, eine weitere wesentliche Problematik der Fernbeziehung: Alle vier Dimensionen können während der örtlichen Trennung nicht auf "konventionelle" Weise, wie in einer "Nahbeziehung" ge- und erlebt werden. Sowohl die Kommunikation und die Geborgenheit bzw. die Intimität als auch eine erfüllende Sexualität kann in den Zeiten der Trennung naturgemäß nur auf meist defizitäre Weise, also "bruchstückhaft" bzw. einseitig erlebt werden. Wie sich also die Qualität der Liebe entwickelt, hängt auch stark davon ab, wie es dem Paar gelingt, sich über die Gedanken und die Gefühlswelt, über Erwartungen und Befürchtungen insbesondere in Bezug auf diese vier Säulen auszutauschen.

Der Ablauf der Gefühlsentwicklung in der Fern-beziehung ("emotionale Entwicklungszyklen")

Tatsächlich erleben viele Paare gewisse Abläufe und Gefühlsentwicklungen immer wieder auf ähnliche Weise. So lassen sich bestimmte Krisen- bzw. Trauerphasen im Ablauf der einzelnen Abschnitte der Fernbeziehung erkennen:

1. Phase (Unmittelbar vor der Abreise):
Distanzierung, Rückzug und Verleugnung der Problematik (Isolation und Negation)
2. Phase (unmittelbar bei der Abreise und in den Tagen danach):
Wut, Zorn, Traurigkeit bis hin zur starken Traurigkeit und schließlich im Idealfall langsame Akzeptanz des veränderten Zustandes
3. Phase (getrennten Zeitspanne):

Loslösung (Distanz), Annahme der veränderten Voraussetzungen (Akzeptanz) und daraus folgende zunehmende Neugestaltung der veränderten Situation; schließlich zunehmender Austausch mit wichtigen Menschen über die Konsequenzen (Interaktionen) bzw. die allmähliche Fähigkeit, wieder auf andere zuzugehen (Solidarität).

Als zeitliche Faustregel gilt, dass das Wiedereingewöhnen der Partner etwa so lange dauert wie die Trennung selbst; teilweise bis zu 50 Prozent länger. Um wieder ein neues, verändertes gemeinsames "Team" zu werden, kann der Zeitraum bei einer Trennung von vier Monaten (z. B. bei Auslandseinsätze für die Firma/Bundeswehr), etwa sechs bis neun Monate umfassen. Erst dann sind in der Regel alle wesentlichen Rituale, Zuständigkeiten und der Umgang miteinander neu eingespielt. Legt man diese Faustregel für alle Fernbeziehung zugrunde, zeigt sich auch die besondere Belastung der Wochenendbeziehung. Einerseits sieht sich das Paar relativ oft, meist jedes Wochenende. Darüber hinaus aber bleibt auf Dauer eine knapp bemessene, nicht immer ausreichende gemeinsame Zeit, um die getrennte Phase und den Alltag aufzuarbeiten. Die eigentliche gemeinsame Partnerschaftsphase beschränkt sich, wenn sich die "Stürme" des Wiedersehens ("Freitags-Gefühl") gelegt haben, auf den Samstag und den eingeschränkten, meist nur halben Sonntag. Lediglich diese kurze Zeitspanne steht für die Aufarbeitung des Vergangenen und die Planung und Gestaltung des Kommenden zur Verfügung. Auf Dauer also besteht neben der Problematik, keinen gemeinsamen Alltag zu haben, die Gefahr einer "Veroberflächlichung" der Beziehung mit zu wenig Gelegenheit, Gefühle, Hoffnungen bzw. Erwartungen und Ängste bzw. Befürchtungen auszutauschen.

Die Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten der Fern-eziehung

Lernt das Paar, sich mit den Belastungen der Partnerschaft auf Distanz zu arrangieren und die besonderen entstehenden Freiräume zu nutzen, bietet die Fern-Beziehung eine außergewöhnliche Chance, Partnerschaft intensiv und kreativ zu gestalten und zu erleben. Die Chancen und Belastungen bei einer Fern-Beziehung gestalten sich vielfältig und wirken sich auch unterschiedliche auf die Partnerschaft aus. Sie variieren je nach Zustand der Beziehung (Stabilität und Beziehungszufriedenheit der Partner) sowie den Rahmenbedingungen der Partnerschaft (Angehörige, Kinder, Belastungen bzw. Unterstützung im privaten und beruflichen Bereich usw.).
Eine Auseinandersetzung zum Thema "Fernbeziehung und Kinder" bzw. eine ausführliche Auflistung von Erziehungstipps und Hilfestellungen zum Verhältnis Kinder-Eltern im Kontext einer Distanzbeziehung können Sie dem Buch "Soldat im Einsatz - Partnerschaft im Einsatz. Praxis- und Arbeitsbuch für Paare und Familie in Auslandseinsatz und Wochenendbeziehung" entnehmen. Auch wenn sich der Schwerpunkt dabei an Soldatenfamilien richtet, so sind alle wesentlichen Orientierungen übertragbar.